Individualität statt Massenware
Der erste Eindruck zählt. Was Organisationen früher in einen ansprechenden Empfangsbereich ihrer Geschäftssitze investiert hatten, landet heute im Netz. Eine individuell gestaltete Website soll die Organisation oder das Produkt optimal repräsentieren und bei der Zielgruppe den gewünschten Eindruck hinterlassen. Denn ein Urteil ist schnell gefällt – die ersten Sekundenbruchteile entscheiden über die Glaubwürdigkeit des Angebots.
Bilder sollen diesen ersten Eindruck unterstützen, der «emotionale Faktor» von Bildern ist bekannt, ebenso deren Verarbeitungsgeschwindigkeit. Plakatkampagnen und Inserate setzen seit je her auf die Emotionalität von Bildern. Unverständlich, dass Kommunikationsabteilungen auf ihren Webseiten Bilder noch immer stiefmütterlich behandeln. Zwar hat die Agentur beim Design der Website dem Bild noch den entsprechenden Raum eingeräumt – im Alltag ist das Befüllen dieser «Heros» oder «Teaser» eher lästige Pflicht. Billige Stockbilder zieren daher Webseiten und Beiträge in sozialen Medien. Massenware, tausendfach gesehen, oft bereits emotional aufgeladen. Und dies nicht immer im Sinne des Absenders.
Dass der Schuss mit billiger Massenware hintern rausgehen kann, zeigen Beispiele aus der deutschen Politik: So scheinen die bayrische CSU und die AFD auf die gleichen Stockbilder zurückzugreifen – jedoch mit unterschiedlichen Aussagen.
Gestern entdeckte ich dieses “Liebespaar”-Stockfoto auf den Plakaten von CSU & AfD. Die beiden Parteien sind aber nicht die einzigen, die es nutzen. @WhyEuropeDE sammelt nun im #tumblr weitere Fundorte. Wer kennt noch welche? https://t.co/zEUkk7zC33 #followerpower pic.twitter.com/9s1GODDDGj
— Martin Fuchs (@wahl_beobachter) 12. Oktober 2018
Die Chancen vergeben sich aber nicht nur politische Parteien, wie die @cvp-schweiz im Titelbild zu diesem Artikel. Manchmal hätte eine einfache Ähnlichkeitssuche gereicht, zum Beispiel auf TinEye: Dort hätte auch die @university-of-basel sehen können, dass ihr in Warschau aufgenommenes Teaserbild zum «Weiterbildungsangebot im Bereich Wirtschaft und Management» genauso gut für Betriebsrenten der Sparkasse werben kann.
Ein anderes zufälliges Beispiel: @economiesuisse illustriert einen kürzlich erschienen Artikel zur gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Frauen in der Schweiz mit einem interkulturellen Team, welches von einer Frau geführt wird.
https://www.economiesuisse.ch/de/artikel/erwerbsbeteiligung-frauen-holen-stark-auf
Richtige Trouvaillen liefert die Recherche nach diesem Bild (es gäbe auch in der Schweiz weibliche Führungskräfte…), wenn man bei den Agenturen nach Serien des gleichen Models sucht: Aus der erfolgreichen Führungskraft wird dann nämlich eine «frustrierte Ehefrau» eines gestörten Ehemannes.
Versuchen Sie es selbst: Suchen Sie einmal die von Ihnen verwendeten Bilder über TinEye. Ist ihre Visitenkarte im Netz noch immer so individuell, wie Sie geglaubt haben?
Dabei wäre es einfach, eine eigene Bilddatenbank aufzubauen, die authentische Bilder zu den am häufigsten illustrierten Themen enthält. Denn nur dann können Sie ihre individuelle Bildsprache etablieren und unerwünschte Nebenwirkungen vermeiden. Ein Blick auf ihre Website verrät, was Sie häufig brauchen. Meist finden sich diese Bilder im Alltag und lassen sich als „Reportage“ kostengünstig realisieren, wenn abgebildete Personen einverstanden sind. Achten Sie sich in ihrem beruflichen Alltag einmal darauf, wie viele Motive Sie entdecken, die Sie für Ihre Teaser verwenden könnten. Bleiben Sie glaubwürdig, setzen Sie auf Individualität statt auf Massenware!
Erstpublikation am 29. April 2019 auf LinkedIn.